Der Verwaltungsrat ein innovativer Think Tank?

Dieser Blogbeitrag basiert auf meiner Masterarbeit, welche im Rahmen meiner Master-Thesis im Master of Science SUPSI Business Administration with a Major in Innovation Management der Fernfachhochschule Schweiz erstellt wurde.

Unsere Art zu Leben und zu Arbeiten hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Wir machen zwar oftmals noch dieselben Dinge wie früher, aber wir tun sie anders. Das beste Beispiel für eine solche Veränderung ist die Organisation unseres Lebens. Von A wie Arztsuche über F wie Ferien bis Z wie Zoobesuch dreht sich zunehmend alles (Organisation, Terminfindung, Ticket, Fotos, SoMe-Shares) um unsere Smartphones. Durch dieses veränderte Verhalten haben sich bestehende Märkte verändert und neue Märkte entwickelt, welche oftmals durch neue innovative Player besetzt wurden.

Im Jahr 2018, als ich meine Grobdisposition erstellte, musste ich davon ausgehen, dass Innovation ein strategisches Thema sei, welches bei allen Finanzinstituten auf der Agenda stand und wohl der Verwaltungsrat dabei eine relevante Rolle einnehmen sollte. Sollte/Müsste – Ich war mir nun sicher, dass ich das genauer wissen wollte. Bei meiner Recherche bin ich dabei sehr früh auf das Buch von Silvan Felder „Der Verwaltungsrat“ gestossen. In diesem Buch hat Sandro V. Gianella ein Kapitel geschrieben, in welchem folgendes Zitat vorkam:

„Wer über Strategie entscheiden will, muss Visionen entwickeln können, was nicht zuletzt eine intellektuelle, fachlich und zeitlich intensive Auseinandersetzung mit dem Unternehmen erforderlich macht. Ein moderner, wirkungsvoller Verwaltungsrat versteht sich nicht ausschliesslich als Führungsgremium, sondern als innovativer Thinktank, in welchem Visionen und Strategien aus verschiedensten Gesichtswinkeln heraus und auf höchsten Niveau diskutiert und evaluiert werden.“

Dieses Zitat hatte mich in meiner Themenwahl für die Masterarbeit nochmals bestärkt. D.h. ich wollte der Frage nachgehen, welche Verantwortlichkeit der Verwaltungsrat in einem Unternehmen in Bezug auf Innovation einnimmt. Deshalb setzte ich mir zum Ziel, in meiner Masterarbeit, die Rolle des Verwaltungsrates im Kontext der Innovation aus drei Perspektiven – Aufgaben/Verantwortlichkeiten, Fremdbild und Selbstbild – zu untersuchen. Ich grenzte, um den Umfang nicht zu sprengen das Untersuchungsfeld auf Deutschschweizer Kantonalbanken ein.

Man könnte sich nun fragen wie relevant dieses Thema im Jahr 2019 noch ist. Das hohe Interesse an den Experteninterviews teilzunehmen sowie die Rücklaufquote der VR-Fragebogen von über 37% zeigen jedoch auf, dass es sich beim gewählten Thema immer noch um ein sehr relevantes Thema handelt. Dies vielleicht, weil die neuen Möglichkeiten und auch die Bedrohungen durch neue Marktplayer viel näher und greifbarer sind als noch vor ein paar Jahren.

Einige Erkenntnisse und Aussagen aus der Arbeit

  • Die Nutzung der digitalen Möglichkeiten in der Schweiz hat eine lange Geschichte
  • Die Politik hat sich in der Schweiz bewegt, was aber auch bedeutet, dass für FinTechs die Markteintrittshürden verringert wurden und mehr Rechtssicherheit geschaffen wurde
  • Die Anzahl der FinTech Start-ups hat in der Schweiz stark zugenommen
  • Der Begriff Diversität in Verwaltungsräten ist aktuell zu fest auf Gender-Diversity festgefahren
  • Es gibt unvorteilhafte Limitierungen bei der Wahl von Verwaltungsrats-Vertretern durch lokalpolitische Limitierungen
  • Es fehlen adäquate Gefässe, welche gezielt die Weiterbildungsbedürfnisse von Verwaltungsräte adressieren
  • Die Schweiz hat liberale Gesetze und bietet dadurch viel Raum für Innovation
  • Weiterbildung ist Key – bei exponentiellem Fortschritt gibt es auch eine dramatische Halbwertszeit des bestehenden Wissens.

Blick nach Vorne
Es ist unübersehbar, dass die heutige Art wie wir leben sich von der Art vor zwanzig Jahren massiv unterscheidet. Begriffe wie Biometrie und Cyber-Attacken sind aus der Science-Fiktion-Welt ausgebrochen und Wirklichkeit geworden.

Der mit dem Moore’schen Gesetz vergleichbare exponentielle Fortschritt wird wohl nicht urplötzlich zum Stillstand kommen, sondern sich nach einhelliger Meinung vielmehr entlang der bestehenden exponentiellen Kurve weiterentwickeln und alle Industrien stark verändern. D.h. Veränderungen werden in einer uns heute noch unbekannten Geschwindigkeit geschehen und Zurückhaltung kann dann schnell zu einem bedrohlich grossen Abstand zu Mitbewerbern führen.

Wird sich dadurch die Rolle des Verwaltungsrates in Zukunft verändern? Das ist, basierend auf den Erkenntnissen der Arbeit, nicht anzunehmen, denn die in den untersuchten Gesetzen, Regulationen und Standards beschriebenen Anforderungen sind sehr generisch gehalten, was auch die Experten bestätigt haben und sollten einer veränderten Welt durchaus Rechnung tragen können. Es ist aber anzunehmen, dass die Zusammensetzung der Fähigkeiten der Verwaltungsräte anders sein wird. Betriebswirtschaft und Recht werden bestimmt weiterhin sehr wichtige Fähigkeiten bleiben, sie alleine greifen aber zu kurz, um sich inskünftig am Markt behaupten zu können. Weiter wird der Wissens- und Weiterbildungsdrang von Verwaltungsräten massgebend sein, um die immer schneller werdenden Veränderungen zu verstehen und deren Einflüsse auf die bestehenden Geschäftsmodelle antizipieren zu können sowie neue sich aus den Veränderungen ergebene Geschäftsmodelle abzuleiten.

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